Leoparden sind selbstbewusst, gehören ob ihrer Anmut, Grazie und Kraft zu den beeindruckendsten Tieren Afrikas. Und sie sind potenziell gefährliche Gegner. Wenn man sich plötzlich einem starken Leo gegenübersieht, nur mit Kamera bewaffnet, quasi vom Jäger zum Gejagten wird, davon handelt dieser Report.
Text & Fotos: Erich Marek
Im August hatte ich einen Fotoauftrag in Namibia, der nicht nur wegen der vielen Begegnungen mit Antilopen und Warzenschweinen meine Kamera warmlaufen ließ. Da ich wissen wollte, mit welchen Wildarten ich beim Ansitz zu rechnen hatte, fragte ich meinen Gastgeber Harry Schneider, ob auch Leoparden im Revier vorkämen.
„Leoparden“, sagte Harry, „gibt es schon, aber die sieht man kaum bei Tage.“
Ich sitze wie jeden Morgen schon vor dem ersten Licht in meinem Erdloch an einer ausgewählten Wasserstelle, gut getarnt mit Sträuchern, um nahe am Wild zu sein. Längst habe ich bei bestem Licht meine ersten Bilder gemacht, da erscheint gegen halb zehn unvermittelt ein Leopard. Ich wage kaum zu atmen, geschweige denn mich zu bewegen. Der Abstand beträgt kaum zwanzig Meter. Lautlos kommt der Leopard zum Wasser und verschwindet bald wieder.
Ich habe den Schreck kaum verarbeitet, da erscheint er ein zweites Mal am unteren Ende der Wasserstelle. Etwa sechzig Meter von meinem Versteck entfernt. Ich greife instinktiv zum Glas, um ihn kurz zu betrachten und in der Hoffnung, gleich auch einige Bilder zu machen. Diese Bewegung sieht die große Katze aber sofort und prompt legt sie sich in eine Wasserrinne, zieht im Schutze dieser Rinne in tiefster Gangart auf mich zu. Ich spüre unangenehm deutlich, wie der Leopard mich mit seinen bernsteinfarbenen Sehern fixiert. Die Katze ist auf Beutefang – und ich bin in die nähere Wahl des Vormittagshäppchens gekommen!