Text Prof. Hans-Dieter Pfannenstiel
Foto Adobe Stock (Jeldrik)
An einem bestimmten Tag im November versammeln sich auf Samoa jedes Jahr gegen Abend viele Menschen an besonderen Abschnitten der Küste und steigen mit Körben und Sieben bewaffnet ins seichte Wasser der Lagune. Der abnehmende Dreiviertelmond steht am Himmel. Es ist der dritte Tag nach dem dritten Mondviertel. Aber auf was warten die Leute?
Wenn es dunkler wird, erscheinen im Wasser der Lagune wie auf ein geheimes Kommando abertausende von bis zu 30 Zentimeter langen schlanken Würmern. Sie steigen phototaktisch, also durch Licht geleitet, vom Boden nach oben. Das Ganze sieht aus wie ein riesiger Topf, in dem Spaghetti gekocht werden. Auf diese Würmer, die sie Balolo nennen, haben es die Samoaner abgesehen. Die Palolos, wie wir sie nennen, gelten als ausgesprochene Delikatesse. Sie werden roh, gedünstet oder gebacken verzehrt. Gelegentlich werden sie auch Kaviar des Pazifiks genannt. Wie kommt es nun zu diesem plötzlichen Massenauftreten der Palolos und wozu dient es?
Die Würmer der Art Palola viridis (viridis – nach der grünen Färbung der Männchen) gehören zu den Meeresborstenwürmern (Polychaeta), die zusammen mit Regenwürmern und Egeln die größere Gruppe der Ringelwürmer (Annelida) bilden. Außer auf Samoa kommt die Art noch auf Fidschi und einigen kleinen Sunda-Inseln vor. Die Würmer leben im harten Substrat des Meeresbodens in selbstgegrabenen Gängen, die sie nur bei Dunkelheit verlassen. Im Zuge der Geschlechtsreife verlängern sich die Körper durch viele neue Segmente, die vom Hinterende nach vorne auswachsen. Nur in diesen Hinterenden werden Geschlechtszellen gebildet. Kurz vor dem Schwärmen in besagter Nacht trennen sich die nun prall mit Eiern oder Spermien gefüllten Hinterkörper vom Vorderteil des Wurms. ...